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GUTE HOSPITALPRAXIS

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Wussten Sie?

Das QM-Handbuch für das ganze Krankenhaus

5.3.01 Bericht über Unerwünschte Ereignisse

Geschätzte Lesezeit: 8 Minuten 9 x aufgerufen Autoren

Ziel und Zweck

Identifikation und Berichterstattung von schwerwiegenden unerwünschten Ereignissen (sUE) an die verantwortlichen Stellen. Die Berichte sollen Maßnahmen einleiten, um den sich ergebenen Schaden frühzeitig abzuschätzen, um Gegenmaßnahmen zu ergreifen und eine Fallanalyse anzustoßen.

Anwendung

Alle Kliniken, Abteilungen und Bereiche des Krankenhauses

Beschreibung des Ablaufes

3.1 Allgemeine Überlegungen

Fehler und Komplikationen sind in der Medizin unvermeidbar. Sie gehören zu den schmerzlichen Enttäuschungen einer auf Heilung und Linderung ge-richteten Medizin. Schon immer wurden intensive Anstrengungen unternom-men, Ursachen für Fehler zu finden und sie für die Zukunft auszuschalten. Dafür werden auf Klinikbesprechungen und Visiten regelmäßig Zwischenfälle und unerwünschte Ereignisse berichtet und diskutiert.
Zu schnell aber wird in der Medizin persönliche Schuld zugewiesen oder das Ereignis gilt für einen Behandlungsfall als so typisch, dass aus dem Ereignis selbst keine weiteren Schlussfolgerungen gezogen werden. Die wachsende Verantwortung der Klinikleitungen und des Trägers für das Behandlungsgeschehen im Krankenhaus machen oft eine rasche Reaktion nötig, um das Wiederauftreten von Fehlern und Komplikationen zu verhin-dern. Die Dokumentation des Ereignisses muss vertieft und gesichert werden. Das Ereignis muss an die Haftpflichtversicherung gemeldet werden. Gele-gentlich ist eine präventive Information der Öffentlichkeit oder des Trägers ratsam. Um diesen Organisationspflichten nachkommen zu können, muss die Leitung kurzfristig über solche Vorkommnisse informiert werden.

Eine klinikübergreifende Übersicht über Unerwünschte Ereignisse ist zur Zeit nicht üblich, aber nötig, um dem Vorwurf entgegen treten zu können, solche Ereignisse würden vertuscht.

Die Aktualität der Berichterstattung darf nicht dadurch gemindert werden, dass zunächst abgewartet wird, ob ein Schaden eintritt oder von dem betrof-fenen Patienten geltend gemacht wird.

Berichtet werden Ereignisse unabhängig davon, ob Fehler oder Komplikatio-nen verschuldet wurden oder ob sie vermeidbar gewesen wären. Der aus der klinischen Forschung stammende Begriff des „Unerwünschten Ereignisses“ lässt die Frage nach der Verursachung bewusst offen. Das zeitliche Zusam-mentreffen reicht aus, das Ereignis sorgfältig daraufhin zu untersuchen, worin die Ursache zu sehen ist. Das Konzept der unvoreingenommenen Einzelfall-Berichterstattung ist in vielen Bereichen (Luftfahrt, Reaktorsicherheit) aber auch in der Medizin (z. B. Anästhesie) mit großem Erfolg angewandt worden. Hier wird das Verfah-ren beschrieben, das in einem Krankenhaus eingeschlagen werden kann.

3.2 Berichtsgegenstand

Grundsätzlich kann und muss jedes Unerwünschte Ereignis den Vorgesetzten innerhalb einer Abteilung mitgeteilt werden. Es ist zu prüfen, ob das klinik-übergreifende Berichtswesen sich auf schwerwiegende Unerwünschten Ereig-nisse beschränken soll. Gesichtspunkt dabei ist die allgemeine akzeptanz und die Kapazität für die Bearbeitung der Berichte.

Ein Bericht muss immer dann erstellt werden, wenn das beobachtete Ereignis in zeitlichem Zusammenhang mit einer Behandlung steht. Der Bericht muss unabhängig davon erstattet werden, ob eine persönliche oder organisatorische Verantwortung erkennbar ist.

Als „schwerwiegend“ werden folgende Unerwünschten Ereignisse angesehen:

• Tod
• Reanimation
• Rückkehr an den extrakorporalen Kreislauf
• Rückkehr in den OP
• Verlegung auf eine Intensivstation wg. lebensbedrohlichen Zustandes
• Erhebliche Verlängerung des Krankenhausaufenthaltes

wenn sie im Laufe der Behandlung unvorhergesehen eintreten oder ungeplant nötig werden.

Gleichgestellt sind Ereignisse, bei denen die ernsthafte Gefahr bestanden hat, dass eine der genannten sUE hätte eintreten können (früher: Beinahvorkommnis):

• Medikationsfehler
• Anwendung eines Medizinproduktes (Gerätes)
• Arzneimittelnebenwirkungen
• Zwischenfälle während der Narkose, einer Operation oder Bestrahlung
• Unterschiede zwischen prä- und postoperativer Diagnose
• Unterschiede zwischen klinischer und pathologischer Diagnose

3.3 Berichtumfang

Der Bericht über ein sUE muss zumindest die Daten des in Anlage 1 beige-fügten Formblattes enthalten. Weitere Angaben zu dem Ereignis können formlos gemacht werden, wenn die Berichterstattung dadurch nicht verzögert wird.

Berichte können auch anonym abgegeben werden. Die weitere Bearbeitung einer anonymen Berichterstattung muss streng vertraulich erfolgen. Eine Kopie der Berichte zu Unerwünschten Arzneimittelwirkungen, Vergif-tungen, Vorkommnissen bei der Anwendung von Medizinprodukten und Transfusionsreaktionen soll ebenfalls an die Qualitätssicherung gegeben werden.

3.4 Wer berichtet?

Verantwortlich für den Bericht eines sUE ist der Arzt, der die Behandlung geleitet hat, in der oder als dessen Folge das sUE aufgetreten ist.

Jeder andere an einer Behandlung Beteiligte kann an seiner/ihrer Stelle be-richten, wenn der verantwortliche Arzt verhindert ist oder der Verdacht be-steht, dass er seiner Verpflichtung nicht nachkommt. Der Leiter einer Komplikationskonferenz (Zwischenfall- oder Mortalitäts-besprechung) muss entscheiden, ob ein dort besprochenes Ereignis als sUE berichtet werden soll.

Gehen Schadensmeldungen bei der Rechtsabteilung ein oder werden Ansprü-che an die Betriebshaftpflichtversicherung gestellt, soll die Rechtsabteilung prüfen, ob ein Bericht über ein sUE nötig ist. Wurde bisher kein Bericht ab-gegeben, soll die Rechtsabteilung den Bericht veranlassen.

Anonyme Berichte werden von der Qualitätssicherung angenommen und wei-terverfolgt.

3.5 Andere Berichtpflichten

Gesetzlich geregelt ist die Berichterstattung von Unerwünschten Arzneimittelwirkungen, Vergiftungen, Vorkommnissen bei der Anwendung von Medizinprodukten und bei Transfusionsreaktionen. Auf die besonderen Regelungen wird verwiesen.

3.6 Sammlung und Bearbeitung der Berichte

3.6.1 Erfassung der Berichte

Berichte über sUE werden der Qualitätssicherung geschickt und erfasst. Die Berichte erhalten fortlaufende Nummern mit nachfolgender Jahreszahl. Berichte zu Unerwünschten Arzneimittelwirkungen, Vergiftungen, Vor-kommnissen und Beinahevorkommnissen bei der Anwendung von Medizin-produkten und Transfusionsreaktionen, die die Qualitätssicherung nachrich-tlich erhält, werden wie Berichte über UEs erfasst.

Wenn die Anzahl der Berichte es erfordert, soll die Qualitätssicherung eine statistische Aufbereitung vorschlagen.

3.6.2 Weitergabe der Berichte

Die Berichte verbleiben bei der Qualitätssicherung und sind streng vertraulich. Die Qualitätssicherung ist zur Weitergabe an Dritte nur auf Beschluss des Vorstandes berechtigt.

Die Qualitätssicherung berichtet dem Ärztlichen Direktor über sUE im Einzelfall, wenn der Verdacht auf eine strafbare Handlung besteht, sofortige Maßnahmen erforderlich sind, um eine Vergrößerung des Schadens zu vermeiden oder eine Wiederholung unmittelbar droht. Alle anderen sUE werden in der ersten Woche des Quartals dem Ärztlichen Direktor in einem Quartalsbericht mitgeteilt.

Die Qualitätssicherung schlägt in dem Bericht vor, für welche sUE eine Fall-analyse für nötig befunden wird. Der Ärztliche Direktor beauftragt mit der Fallanalyse die Zwischenfall- und Ereigniskonferenz der Klinik/Abteilung. Wenn das sUE von allgemeiner Bedeutung für das Krankenhaus ist oder die nötige Unvoreingenommenheit für die Fallanalyse fehlt, kann der Ärztliche Direktor die Qualitätssicherung oder einen Gutachter auch in anonymisierter Weise beauftragen.

3.6.3 Umgang mit anonymen Berichten

Anonyme Berichte werden umgehend den darin als beteiligt benannten Perso-nen vertraulich mit der Bitte um Stellungnahme mitgeteilt. Der Vorgang selbst und die Namen der genannten Personen dürfen bis zu einer Stellungnahme und abschließenden Sachverhaltsprüfung in keinem Fall weitergereicht werden. Bei allen weiteren Nachprüfungen hat die Unschuldsvermutung absoluten Vorrang.

3.6.4 Fallanalyse

Die Fallanalyse wird nach einem strukturierten Verfahren durchgeführt. Von den mit der Fallanalyse beauftragten Personen sollen keine Disziplinarmaß-nahmen veranlasst werden können.
Das Ergebnis muss in einem Bericht zusammengefasst werden. Der Bericht muss enthalten:
• eine Schilderung des Ablaufes, wie er sich nach der Analyse darstellt
• Aussagen zu den identifizierten Ursachen
• vorgeschlagene Korrekturmaßnahmen.

Die Qualitätssicherung nimmt den Bericht der Fallanalyse zu dem Bericht des sUE. Werden Korrekturmaßnahmen vorgeschlagen, verfolgt die Qualitätssi-cherung deren Umsetzung.

Die Berichte zu den Fallanalysen werden dem Ärztlichen Direktor im Quartalsbericht mit Empfehlungen für Korrekturmaßnahmen vorgelegt.

3.7 Korrekturmaßnahmen

Korrekturmaßnahmen können z. B. bestehen in ablauforganisatorischen Maß-nahmen, Beschränkung der Zuständigkeit, Intensivierung des Monitoring, Verbesserung der Kompetenz der beteiligten Personen.

3.8 Berichtweitergabe an Melderegister

Durch die Leitung muss entschieden werden, ob und in welchen Fällen Berichte über Unerwünschte Ereignisse an institutionsübergreifende einrichtun-gen weitergegeben werden. Hier sei auf das CIRS-V erfahren des aktions-bündnisses patientensicherheit verwiesen.

3.9 Berichte anderer Einrichtungen

Die Qualitätssicherung erstellt jährlich eine anonymisierte Liste aller sUE und sonstigen Berichten (siehe 3.5), eventuell nach Ursachen und mit den Empfehlungen zu Korrekturmaßnahmen.
Die Liste der sUE wird ergänzt um sUE, die von anderen vergleichbaren Kliniken berichtet wurden (Schadensfälle, Haftungsansprüche, z. B. aus Daten der Krankenhausgesellschaft, Gerichtsurteilen oder Presseveröffentlichungen). Die Liste erhebt keinen Anspruch auf Vollständigkeit und dient allein der Information.

4 Dokumentation

Berichtbogen zu einem schwerwiegenden unerwünschten Ereignis während einer Krankenhausbehandlung
Liste der intern berichteten sUE
Quartalsberichte und ad hoc-Berichte an Ärztlichen Direktor Jahresbericht über sUE im eigenen Haus und anderen vergleichbaren Einrichtungen.

5 Zuständigkeit, Qualifikation

Abgabe des Berichtes:für die Behandlung verantwortlicher Arzt, jede weitere beobachtende Person
Sammlung und Auswertung:Qualitätssicherung
Fallanalyse:ZEK der Klinik/Abteilung, vom Ärztlichen Direktor benannter Gutachter, Qualitätssicherung
Regelmäßige Berichterstattung an Ärztlichen DirektorQualitätssicherung
Entscheidung über FallanalyseÄrztlicher Direktor
Verfolgung der KorrekturmaßnahmenQualitätssicherung, QM-Koordinator der Klinik/Abteilung
Sammlung von anderen UE-BerichtenQualitätssicherung

6 Hinweise und Anmerkungen

7 Mitgeltende Unterlagen

7.1 Literatur

Aktionsbündnis Patientensicherheit
Empfehlungen zur Einführung von Critical Incident, Reporting Systemen (CIRS), Praxistipps für Krankenhäuser, November 2007

7.2 Begriffe

Schwerwiegendes Unerwünschtes Ereignis (sUE):
Unvorhergesehener Tod während einer Krankenhausbehandlung oder Reanimation
Ungeplante Rückkehr in den OP
Rückkehr an den extrakorporalen Kreislauf
Nicht unerhebliche Verlängerung des Krankenhausaufenthaltes

8 Anlagen

Anlage 4: Quartalsbericht an den Ärztlichen Direktor
Anlage 5: Jahresbericht über UEs

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